Vom Chatbot direkt in den Livechat: Lust oder Frust für Kunden und Hotline?

14. Okt

Es klingt nach einer guten Idee, wenn ein Chatbot Kunden direkt an einen Livechat mit einem echten Mitarbeiter weiterleiten können: Kunden bekommen schneller eine Antwort, die ihnen wirklich weiterhilft. Bei näherer Betrachtung erweist sich dieser Ansatz allerdings als problematisch: Die direkte Weiterleitung bewirkt das Gegenteil von dem, was der Einsatz von Chatbots erreichen soll.

Wann sich der Einsatz von Chatbots im Kundendienst lohnt

Der Nutzen von Chatbots ist in der öffentlichen Debatte lange umstritten gewesen. Vielfach wurde massiver Stellenabbau in allen Abteilungen durch die Automatisierung befürchtet. Allerdings liegt die Stärke moderner Chatbots nicht darin, menschliche Arbeit zu ersetzen. Chatbots sind nicht in der Lage, Kunden in derselben Qualität zu betreuen wie menschliche Mitarbeiter.

 

In der Kundenbetreuung ist es vor allem eine zusätzliche Belastung, wenn der Chatbot Kunden automatisiert in einen Livechat mit Mitarbeitern führt. Statt in Ruhe an den anderen Anfragen zu arbeiten, müssen die Kundenbetreuer permanent einen weiteren Kommunikationskanal im Blick behalten.

Dies führt zwangsläufig zu häufigen Unterbrechungen, denn ist der Kunden im Livechat, erwartet er eine sofortige Reaktion. Nicht mehr der Mitarbeiter bestimmt über seine Vorgänge, sondern der Chatbot gibt den Takt vor. Je nach Volumen und Menge der Anfragen ergibt sich daraus eine Arbeitslast, die Mitarbeiter nicht „mal eben“ bedienen können.

Mythos Multitasking

Untersuchungen zeigen, dass die Qualität der Arbeit leidet, wenn Mitarbeiter zum Multitasking gezwungen sind. Eine Studie schätzt den volkswirtschaftlichen Schaden durch Multitasking auf 450 Milliarden US-Dollar.

Die Nachteile des Multitasking sind vielfältig:

  • Multitasking kostet Zeit über die Bearbeitungszeit hinaus: Wenn Mitarbeiter gerade mit einem Kunden telefonieren oder eine E-Mail bearbeiten, wechseln sie zumindest das Programm, um die neue Aufgabe zu erledigen.
  • Multitasking führt zu Stress und in der Folge zu mehr Fehlern.
  • Multitasking geht auf das Gedächtnis – bereits bekannte Informationen müssen öfter nachgeschlagen werden.
  • Auch das Management ist betroffen: Sie müssen immer mehr Tätigkeiten gleichzeitig überwachen.
  • Eine sinnvolle Priorisierung von Aufgaben ist kaum möglich, weil die Kommunikation per Chat eine sofortige Aktion verlangt – das führt zu einem ineffizienten Einsatz von Ressourcen innerhalb der Organisation.

Nur 2,5 % der Menschen ist wirklich multitaskingfähig. Im Geschäftsalltag sind Prozesse, die Multitasking voraussetzen, eher ineffektiv. Unternehmen sollten Prozesse entzerren und Mitarbeiter so einsetzen, dass sie ihre Aufgaben priorisieren und konzentriert bearbeiten können.

Weiterleitung und User Experience

Wenn auch die Mitarbeiter nicht profitieren, dann doch zumindest die Kunden, die sofort nach der Chatbot-Interaktion weitergeleitet werden, … oder??

Nein, auch Kunden profitieren kaum davon, wenn Sie direkt aus dem Chat mit dem Chatbot in den Chat mit dem Service Team geleitet werden. Denn eine direkte Übergabe vom Chatbot zum Livechat mit einem Mitarbeiter ist der Idealfall. Hilfreich ist dies nur, wenn ein Mitarbeiter umgehend verfügbar ist und dem Kunden sofort antworten kann.

In der Praxis zeigt sich, dass es zu Stoßzeiten kommt, während derer viele Klienten gleichzeitig zum Livechat weitergeleitet werden wollen. Die erwartbar vielen parallelen Anfragen führen zu einer Warteschleife. Der Kunde verbringt also viel Zeit damit, auf einen echten Mitarbeiter zu warten.

Fazit: Vom Chatbot zum Livechat bringt mehr Frust für Mitarbeiter und Kunden

Leitet ein Chatbot Kunden direkt in den Livechat mit einem echten Kundenbetreuer, ist dies in den meisten Fällen nicht sinnvoll. Ja, es kann sogar mehr Probleme als Nutzen mit sich bringen.

Einerseits werden die Mitarbeiter durch Multitasking stark belastet – dabei sollten Chatbots gerade Ihnen Arbeit abnehmen. Kunden profitieren von der Weiterleitung ebenfalls nur in Ausnahmefällen. Bei den meisten Fragen führt die Weiterleitung zu einem Aufenthalt in der Warteschleife. Die ursprüngliche Intention eines Chatbots, für mehr Kundenservice zu sorgen, wird so ad absurdum geführt.

Unternehmen sollten den Fokus auf die Verbesserung der Chatbot-Qualität einerseits und die Qualität der menschlichen Kundenbetreuung andererseits legen.

Je höher die Qualität der Chatbots ist, desto mehr einfache Fragen wird er selbständig beantworten können. Komplexere Sachverhalte wird er er zumindest aufnehmen können und an das Service Team zur weiteren Bearbeitung übergeben. Dies dürften allerdings Fälle sein, in denen auch Mitarbeiter ad hoc keine definitive Antwort parat haben.

Unternehmen tun gut daran, den Chatbot eine Bitte um Rückruf weiterleiten zu lassen. Diese Option bürdet Mitarbeitern keinen zusätzlichen Kommunikationskanal auf und enttäuscht Kunden nicht durch Warterei in einem Chatfenster.